A   PIERCED  WORLD
Ein Panorama unserer Zeit







Photopanorama von Lukas Maximilan Hüller, Erwin und Rita Leder
Original ca. 220 x 4810 cm, Kopie ca. 60 x 1300 cm

Erstausstellung: Galerie Westlicht, 1070 Wien, 16.8. 12.10.2003



Rita und ich sind der Ansicht, dass es im Sinne des so genannten „Hausverstandes“ angesichts dieses Bildpanoramas sowie der Tatsache, dass sich die auf ihm dargestellten Konflikte seit der Entstehung des Bildes im Mai 2002 weiter verdichtet haben, eigentlich keines Kommentars bedarf. Anscheinend wurde nämlich bisher zu vieles zwecklos gesagt. Die Gleichgültigkeit siegt dort, wo Verantwortung abgeschoben wird. Offensichtlich ist, dass der Begriff Friede für den Menschen keine Tatsache ist, sondern ein Ideal, eine Idee, die mit allen möglichen Mitteln zu verwirklichen sei, und hier sehen wir das Problem beziehungsweise die Herausforderung. Wenn der Mensch nicht in sich, mit sich selbst, Frieden schafft, im Einklang mit sich und allem lebt, wenn die Basis krankt, wenn Friede für ihn keine Tatsache ist, sondern ein Hirngespinst, dem er nachläuft, wie soll er ihn nach außen hin schaffen? Offensichtlich auch ist es mehr als an der Zeit für jeden Einzelnen von uns, in sich zu gehen, anstatt aus sich heraus in Illusionen zu flüchten.

Sehen wir die Tatsachen, wie sie sind und nicht, wie sie sein sollten. Der Mensch begreift sich als einziges Wesen dieser Erde als eines mit Bewusstsein und Verstand. Angesichts seiner Gewaltbereitschaft jedoch sind, was den Verstand anbelangt, ernsthaft Zweifel angebracht, offensichtlich benütz er ihn vermehrt destruktiv. Kein Wesen dieser Erde nämlich bringt seit Jahrtausenden so viel Unglück über diese Welt wie der Mensch. Auch stellt sich ernsthaft die Frage, was denn „bewusst zu sein“ wirklich bedeutet. Indem sich der Mensch als ein Individuum begreift, trennt er sich von allen anderen und von seiner Umwelt, er erzeugt somit zwangsläufig Konflikt und daher Gewalt. Seine Anmaßung und Arroganz hat im Laufe der Geschichte zudem nicht abgenommen, im Gegenteil: wir stehen inzwischen am Rande einer globalen Vernichtung.

Bemerkenswert finden wir auch die Tatsache, dass das wiederkäuende Predigen von Tugenden, wie sie in sämtlichen heiligen Schriften zusammengefasst sind, nicht zum gewünschten Effekt führt. Begriffe wie die so genannten „Früchte der Liebe“, also Friede, Freude, Aufmerksamkeit, Gerechtigkeit usw., bleiben wo nicht gelebt leere Worte und werden dazu benützt, nationale und individuelle Interessen zu verfolgen, ohne das Wohl der gesamten Menschheit im Auge zu behalten, geschweige denn das der gesamten Erde.

Auffällig ist auch, dass sämtliche konventionellen Religionen in ihrem Bemühen um eine friedliche Welt schlicht und ergreifend versagt haben, und dass es der Politik offenbar nicht anders geht, ob sie sich nun aus Religionen her ableitet wie in „Gottesstaaten“, ob sie in irgend einer anderen Art diktatorische Formen annimmt, oder ob moralische Strömungen gar der Demokratie in der „Freien Welt“ das Sagen der Religionen übernommen haben – im Gegenteil: die Redelsführer sitzen zumeist dort, wo die Scheinheiligkeit am größten ist. Leid tragend sind wie eh und je die Ohnmächtigen und Hungernden.

Und die Verantwortung für dies alles trägt nicht bloß irgendjemand, der ganz weit weg sitzt, uns fremd ist, und zu dem wir überhaupt keinen Zugang haben – sondern wir selbst. Wer soll unser Leben leben als wir selbst? Machen Sie die Augen auf, wir sind betroffen. Wir sind die Welt, jeder Einzelne von uns. Und die Zukunft beginnt nicht morgen, sondern jetzt, in jedem Moment des Lebens. Dieses Leben ist ein Geschenk, das weiß etwa der, der das Leben fast verloren hätte, sehr gut, und der nicht mehr, der es verloren hat.

Friede beginnt also nicht irgendwo und irgendwann, nicht in der Bibel, nicht im Koran, nicht in Amerika oder auf einer Südseeinsel, nicht in irgendeinem Paradies oder nach 10000 Inkarnationen usw., sondern im praktischen täglichen Leben jedes Einzelnen jetzt.

Rita & Erwin Leder im Juli 2003