Corona – Soforthilfe für frei berufliche Künstler_innen und Kunstschaffende

 

Ich halte die Aufstockung beim KSVF, durch die Krise arbeitslos gewordene Künstler_innen und Kunstschaffende jetzt mit bis jeweils € 1000.- zu unterstützen, nicht für förderlich, weil

1) nicht alle Künstler_innen, auch Professionist_innen, beim KSVF als solche anerkannt werden, wenn sie sich nicht dort zuvor angemeldet haben, und die Kurie sie nicht als Künstler_innen eingestuft hat.

2) Zu beachten ist die zu differenzierende Beschäftigungssituationen der jeweiligen Künstler_innen und Kunstschaffenden sowie deren wirtschaftliche und familiäre Situationen für die Dauer der Nichtbeschäftigungsmöglichkeit, welche durch die Verordnungen der Regierung ausgelöst wurde.

3) Die Absicherung von Künstler_innnen und Kunstschaffenden muss daher ab dem Datum des Shutdowns monatlich zustehen; das gilt auch für den Härtefall-Fond. Sie muss staatlich gestützt sein, jedenfalls für alle, welche eine offizielle Berufsbefähigung (paritätische Bühnenreife etc., Abschlusszeugnis) nachweisen können, auch wenn sie bisher nicht vom KSVF als Künstler_innen anerkannt wurden. Das muss zugleich für alle nachweislich im Kunst- und Kulturbereich Tätigen gelten, die unverschuldet seit dem Shutdown kein Einkommen erzielen konnten.

4) Die Absicherung darf zudem nicht mit Mindestsicherung (Sozialhilfe) verwechselt werden. Weil die Künstler_innen durch den Shutdown der Krise – ob Engagement oder nicht – unverschuldet in ihre Lage geraten sind, darf keinesfalls Zugriff auf Privatvermögen durch die öffentliche Hand gewährt werden, und es muss voller Versicherungsschutz bestehen.

5) Außerdem stellen € 1000.- eine Pauschalsumme dar, welche der individuellen Lage der einzelnen Künstler_innen und Kunstschaffenden nicht entspricht. Zudem liegt diese Summe deutlich unter der Armutsgrenze lt. Armutskonferenz. Ich halte die Armutsgrenze (€ 1275.-) zur Absicherung von Kunstschaffenden als unterstes Niveau deshalb für Ausschlag gebend, weil sie durch die Verordnungen der Regierung während der Krise unverschuldet in ihre Lage gekommen sind, ob sie nun vor der Krise oder bis heute kein neues Engagement bekommen konnten. Zu alledem noch Armut zu verordnen ist unwürdig. Wir fühlen uns nicht als Bittsteller sondern als arbeitende Menschen mit Anspruch auf Ersatzleistung, die uns auch zu leben ermöglicht.

http://www.armutskonferenz.at/armut-in-oesterreich/aktuelle-armuts-und-verteilungszahlen.html 

 

Forderung:

Corona-Soforthilfe für Künstler_innen und Kunstschaffende nicht unter der Armutsgrenze!

 

Die ohnehin skandalös gering eingestuften Auszahlungen des Covid-19-Fonds beim Künstlersozialversicherungsfonds und Härtefall-Fonds bei der WKÖ gehen äußerst schleppend voran. Unzählige Kunstschaffende können inzwischen ihre Lebenserhaltungskosten nicht mehr decken. Inzwischen ist die Antragstellung für Phase 2 beim Covid-19-Fonds wegen Bearbeitung gar nicht möglich.

https://www.ksvf.at/covid-19.html

https://www.wko.at/service/haertefall-fonds-phase-2.html

 

Forderung:

Sofortige Herstellung einer unbürokratischen Auszahlung aus dem Covid-19-Fonds und Härtefall-Fonds – es ist höchste Zeit!

 

Künstler_innen mit Verträgen, welche bis 15. Mai 2020 abgeschlossen wurde, deren Erfüllung wegen der Coronakrise jedoch nicht zustande kam, erhalten jeweils Abstandszahlungen von 80% der zugesicherten Gage. Die Versicherungsart richtet sich nach dem Vertrag. Diese Gagen werden (etwa bei entfallenen Sommerspielen) aus jenen Förderungen / Subventionen geleistet, welche bereits zugesagt wurden. Die Künstler_innen werden je nach Vertragsart versichert.

 

Sollten Förderungen nicht ausgezahlt oder „eingefroren“ worden sein, wie es im Filmwesen verbreitet der Fall ist, hat der Arbeitgeber dennoch diese Kosten zu tragen. –  Hierbei ergab sich das Problem, dass viele Künstler_innen hätten klagen können bzw. müssen, aber nicht geklagt wurde aus Angst, künftig nicht mehr angefragt zu werden und so künftige Engagements zu verlieren. Also sollte/n hier fairer Weise der/die Fördergeber einspringen und Firmen, die nicht auszahlen können, weil sie sonst selbst vor dem Bankrott stünden, unter die Arme greifen und die zugesagten Förderbeträge in der benötigten Höhe unbürokratisch auszahlen.

 

Denjenigen, welche Anspruch auf ALG haben, steht dieses zu, ebenso NH; mindestens aber die Armutsgrenze wegen unverschuldeten Corona –  Verdienstentganges (einen allfälligen Ausgleich auf die Armutsgrenze wie auch dessen  SV-kosten hat der Bund zu tragen). Besteht ein Anspruch auf eine oder mehrere Abstandszahlung/en aus einem Vertrag / Verträgen, sollte die Höhe des ALG diese Ansprüche betreffend nach den gesetzl. Vorgaben bemessen werden können.

 

Wo aber bis zum durch die Krise ausgelösten Shutdown kein Vertrag bestand, sollte das letzte Geschäftsjahr ab Datum des Shutdowns, wenn dieses Geschäftsjahr unterdurchschnittlich schwach war, die letzten beiden Jahre zur Bemessung einer monatlichen Unterstützung herangezogen werden. Auch hier wäre bei nicht erreichen der Armutsgrenze der höhere Betrag förderwürdig.

Der Einfachheit halber sollten die Künstler_innen bei Corona-Soforthilfe nach der gesamtmehrheitlichen Vertragslage versicherbar sein. Die Mehrheit ergibt sich derzeit wahrscheinlich aus den Beschäftigungszeiten, was ich aber in Anbetracht folgender praktischer Überlegung nicht als gerecht empfinde:

erfahrungsgemäß beziehen Künstler_innen oft in sehr kurzer Zeit, etwa bei Dreharbeiten, große Einkünfte und bezahlen überdurchschnittlich viel SV als unselbständig Beschäftigte. Dahingegen haben viele Künstler_innen zugleich weniger Einkünfte in längeren Beschäftigungszeiträumen etwa am Theater, wenn sie als Neue Selbständige arbeiten, und zahlen in großen Zeiträumen wenig SV-Beiträge. Also sollte ihnen gerechter Weise diejenige Art von SV zustehen, für welche sie insgesamt mehr eingezahlt, also geleistet hatten, und diese Versicherungszeiten sollten dann auch an die Arbeitslosengeld- und Pensionsanwartschaft angerechnet werden.

 

*          Ausgerechnet in den unsicheren und verunsichernden Zeiten der Coronakrise sollen Kunst und Kultur hinter allen anderen systemerhaltenden gesellschaftlichen Versorgungsnotwendigkeiten zurückstehen. Das führt geradewegs in eine noch größere Krise als die bestehende. Einerseits, indem es die Kunst-, Kultur- und Sportwelt und ihre Mitwirkenden und angrenzenden Bereiche betrifft, andererseits, indem die gesamte österreichische Bevölkerung davon betroffen ist.

Corona hat uns gezeigt, dass wir als Kunst- und Kulturschaffende aller Bereiche eine verlässliche ständige Vertretung mit Budget-Hoheit in Österreich brauchen. Die sofortige Gründung eines MINISTERIUMs FÜR KUNST UND KULTUR wäre daher die effektivste Lösung. Zumindest aber fordere ich gemeinsam mit der Gewerkschaft und der Achse Kunst, Kultur & Sport die UMGEHENDE EINLEITUNG INTER-MINISTERIELLER VERHANDLUNGSGRUPPEN mit den Sozialpartnern, Interessengemeinschaften und Verbänden!

 

Gemeinsam mit der „Achse Kunst, Kultur & Sport“ fordere ich deshalb:

1) Garantiertes Mindesteinkommen von € 1.286,- netto 12x im Jahr (Armutsgefährdungsgrenze) für EPU und Neue Selbständige, äquivalente Garantien für alle unselbständig im Kunst-, Kultur- und Sportbereich Beschäftigten.

2) Kompensation aller Einnahmenausfälle ab 13. März 2020.

3) Maximale Öffnung des WKÖ-Härtefallfonds und des KSVF-Notfallfonds Covid 19 und des Coronahilfsfonds.

4) Dauerhafte Reduktion des erhöhten Umsatzsteuersatzes auf 5%.

5) Sofortige und dauerhafte Verdoppelung des Budgets für Kunst, Kultur und Sport 2021/2022 des Bundes und der Länder auf insgesamt 1 % des BIP jährlich.

6) Ausfallshaftungsfonds für Veranstalter.

7) Liquiditätsversicherung für EPU und Neue Selbständige.

8) Finanzierung einer Kampagne „Keine Angst“.

9) Fixer Fahrplan zum Abbau aller Beschränkungen.

10) Verbindliche Klärung der Haftungsfragen.

 

Anmerkung:

Die hier aufgezeigten Gedanken sind meine eigenen. Ich bin FG-Vorsitzender „Frei berufliche Schauspieler_innen und Sprecher_innen“ in der Sektion Bühne, HG VIII, YOUNION. Die meisten meiner Forderungen decken sich mit denen der Gewerkschaft, einige wenige davon stehen zur Diskussion.

 

Die AK bietet arbeits- und vertragsrechtliche Unterstützung für ihre Mitglieder an und die Gewerkschaft für ihre Mitglieder Rechtsberatung.

https://wien.arbeiterkammer.at/kontakt

https://www.younion.at/cms/C01/C01_5.2.8/das-sind-wir/wiener-hauptgruppen/hauptgruppe-viii?d=Touch

Auch die IG Freie Theaterarbeit bietet lobenswerter Weise für Mitglieder (und Nichtmitglieder gegen Kostenbeitrag) kompetente arbeits- und vertragsrechtliche Unterstützung an:

https://freietheater.at/covid-19-help/help/

 

Wien, 27. Mai 2020

 

Erwin Leder